Meldewesen 4.0

Das „Meldewesen 4.0“ ist eine Vision welche sich von dem Zukunftsprojekt der Bundesregierung (BMBF) für umfassende Digitalisierung Industrie 4.0 inspiriert, ähnlich wie es auch der Financial Services Summit 2019 von BearingPoint mit dem Motto „Finanzsektor 4.0 – die Zukunft aktiv gestalten“ getan hat.

Analog zur Industrie 4.0. ist das ultimative Ziel die „Smart Meldewesen-Factory“. Der Weg dorthin führt über eine radikale Software-Automatisierung, um die entsprechenden Vorteile und Entlastungen zu ermöglichen. Abhängig von dem jeweiligen Prozess in Bezug auf Komplexität und Ausgereiftheit, wird der mögliche Automatisierungsgrad bestimmt. Realisierbar macht dies, die Big Data Technologien wie In-Memory, Streaming und Künstliche Intelligenz sowie das Konzept der Agilität.

Die Software-Automatisierung kann in drei Schritte erfolgen:
      1.    Automatisierung von Geschäftsprozessen
      2.    Robotergesteuerte Prozessautomatisierung
      3.    Intelligente Prozessautomatisierung

Der letzte Schritt, die intelligente Prozessautomatisierung, der Vision zur Smart Meldewesen-Factory umfasst, dass die verschiedenen Meldungen, Anfragen von Prüfern oder der Revision, sowie Rückfragen der Aufsicht vollständig automatisch ohne menschliche Eingriffe funktionieren. Der Meldewesen-Sachbearbeiter wäre mit der Überwachung, Fehlerbehebung sowie Weiterentwicklung und Optimierung aufgrund von neuen oder veränderten regulatorischen Anforderungen betraut, und kooperiert so mit der Smart Meldewesen-Factory.

Dabei kann zwischen zwei Szenarien unterschieden werden:
      1.    Kontinuierliche Meldewesen-Verarbeitung
      Andauernde Verarbeitung der Daten sobald diese vorliegen. Ausgehend von den Ergebnissen des Vortages, werden Änderungen verarbeitet. Gestartet wird mit Geschäften, welche wegfallen oder ausgelaufen sind. Danach werden die Änderungen, wie z.B. neue Geschäfte/Transaktionen oder neue Kontostände, in den jeweiligen Meldungen berücksichtigt. Dies setzt allerdings voraus, dass die Meldewesen-Software zu solch einer Delta-Verarbeitung in der Lage ist. Wann welche Daten zugeführt werden, kann entweder über die Anzahl oder einen Zeitstempel gesteuert werden. So könnte eine gleichbelieben Last und Ressourcennutzung in der Meldewesen-Verarbeitung erreicht werden.
      2.    Echtzeit-Meldewesen
      Fortlaufende Verarbeitung sobald die Daten entstehen. Vom Vorgang her, genau wie die kontinuierliche Meldewesen-Verarbeitung mit dem Unterschied der umgehenden Verarbeitung der Daten zum Entstehungszeitpunkt. Hier wären die Meldungen immer in Echtzeit verfügbar, und eine Weitergabe von Ergebnissen oder Kennzahlen an andere Abteilungen, z.B. zur Überwachung, wiederum in Echtzeit möglich.

Eine Smart Meldewesen-Factory zu bauen, sollte auf den ersten Blick einfacher sein als eine Smart Factory an sich, da der Hardwareaspekt rund um die Themen Kinetik und Sensorik wegfällt. Dagegen sind aber viele Arbeitsabläufe durch Unschärfe charakterisiert aufgrund unterschiedlich interpretierbarer regulatorischer Anforderungen und Vorgaben.

Ultimativ sollte die Smart Meldewesen-Factory „agil“ sein, d.h. mehr als ein adaptives Software-System, welches sich während der Laufzeit auf Basis der Wahrnehmung von sich selbst, seinem Umfeld oder seinen Anforderungen neu strukturiert oder sein Verhalten ändert.

Idealerweise entwickelt die Smart Meldewesen-Factory Vorschläge für Auswertungen oder Abstimmungen aufgrund der Erfahrungen der an sie gerichteten Anfragen. Sie wäre somit kreativ und würde Antworten und Auswertungen erstellen und dem Benutzer präsentieren bevor diese überhaupt an die Smart Meldewesen-Factory gerichtet würden.

Die fundamentale Grundlage für die Smart Meldewesen-Factory bleiben aber die Daten in entsprechender Qualität.

Digitalisierung im Meldewesen ist nicht nur notwendig, sondern auch möglich. Auch wenn die Smart Meldewesen-Factory eine Vision darstellt, gibt es viele einzelne Prozesse und Arbeitsabläufe, die schon in Richtung Meldewesen 4.0 automatisiert werden können.

Der Weg zum Meldewesen 4.0 kann nur durch die Selbstverpflichtung der gesamten Organisation erreicht werden. Der Mehrwert würde sich nicht nur in den Kosten niederschlagen, sondern auch der erhöhten Belastung bzw. dem Ressourcenmangel der Meldewesen-Fachkräfte vorbeugen und so die Meldefähigkeit der Institute langfristig sicherstellen.

     

Mehr dazu finden Sie im Kapitel F. Unterstützende Dienstleistungen – Auf dem Weg zum Meldewesen 4.0, in Wölfelschneider / Berhardt / Capriotti (Hrsg.): Handbuch Bankaufsichtliches Meldewesen 3. Auflage (Regulatorische Anforderungen • Prozesse & Schnittstellen • Datenqualität), 23.07.2020, ISBN 978-3-95725-122-0 (FCH GmbH)